Beinaheunfälle und Zugsgefährdung infolge Notbedienung «Achszähler-Grundstellung» / VSLF verlangt Fahrt auf Sicht bei erster Fahrt

Am 17. Juli 2023 ereignete sich in Unterterzen SG ein Beinaheunfall mit Zuggefährdung infolge einer Aufhebung der Gleisbelegung mittels der Notbedienung «Achszähler-Grundstellung». Der summarische Bericht der SUST vom 9. Januar 2024 erläutert die Umstände. 

Dieselbe Problematik führte bereits am 20. Februar 2016 zu einem Unfall in Sihlbrugg ZH mit 20 verletzten Personen. Der summarische Bericht der SUST vom 24. August 2017 erläutert die Umstände. 

Der VSLF hat Kenntnis von einem weiteren Vorfall vom 12. Oktober 2023 in Siebnen-Wangen, wo ebenfalls die Achszähler in Grundstellung verbracht wurden, obwohl sich noch Schienenfahrzeuge auf dem betreffenden Gleis befanden. 

Dem VSLF ist bekannt, dass seit 2019 eine grosse Zahl weiterer solcher Fälle registriert wurden. Das Unfallpotential ist dabei jeweils immens. Es ist zudem davon auszugehen, dass nicht sämtliche Vorkommnisse dokumentiert wurden. 

Da die örtliche Kontrolle, ob ein Gleisabschnitt frei von Fahrzeugen ist, nur von einer Person vollzogen wird, kann kein Vier-Augen-Prinzip garantiert werden. Dies erachten wir bei derart wichtigen Handlungen für einen sicheren Eisenbahnverkehr als unerlässlich.

Da ein Vier-Augen-Prinzip nicht garantiert werden kann, fordert der VSLF das BAV auf, bei der ersten Fahrt nach dem Zurückstellen von Gleisfreimeldungen oder der Betätigung von Isolierumgehungen grundsätzlich immer „Fahrt auf Sicht“ vorzuschreiben. Dieselbe Forderung hat der VSLF bereits mit Schreiben vom 7. September 2017 gestellt. 

Die SUST hat das BAV ebenfalls mit der Sicherheitsempfehlung Nr. 152 aufgefordert zu prüfen, ob bei vorhandener Belegtmeldung durch die Sicherungsanlage unabhängig der Gleisfreimeldeeinrichtung nach der Fahrbarmeldung immer für die erste Fahrt das gleiche Vorgehen – das Vorschreiben von «Fahrt auf Sicht» – angewendet werden soll.

So lange die Prozesse keinen sicheren Zustand generieren können, sind die Zeitverluste im Verhältnis zum Sicherheitsgewinn vertretbar und in Kauf zu nehmen. Die durch den VSLF vorgeschlagene Beseitigung eines grossen Restrisikos löst keine zusätzlichen Kosten oder Personalaufwände aus. Allenfalls sind die Fahrzeitverluste für das Freifahren in der Fahrordnung des ersten Zuges einzukalkulieren und der Fahrplan dementsprechend anzupassen.

VSLF Nr. 801, 08. Februar 2024, FS


Schreiben an das BAV zu Rangiergrenzen und Signalaufstellungen

Überfahren von Rangiergrenzen am Ende eines Bahnhofs

Wiederholt haben wir Meldungen von verschiedenen Bereichen und Abteilungen erhalten, dass die Rangiergrenzen am Ende von Bahnhöfen als Rangierfahrten nach FDV R 300.4 ohne Erlaubnis fehlerhaft überfahren wurden.

Wir haben das BAV aufgefordert für eine einheitliche und schlüssige Signalisierung von Rangiergrenzen besorgt zu sein.

Aufstellung von Signalen bei der Schweizer Bahnen links der Fahrtrichtung

Heutzutage wird eine grosse Zahl von ortsfesten Signalen entgegen den Vorschriften rechts aufgestellt.

Wir haben das BAV aufgefordert für eine eindeutige Signalisierung auf den Schweizer Bahnanlagen, insbesondere in Bezug auf die links/rechts Aufstellung besorgt zu sein.


VSLF fordert Fahrt auf Sicht für den ersten Zug nach Bedienung von Isolierumgehungen

Am 20. Februar 2016 verunglückte in Sihlbrugg ZH ein historischer Zug mit einem in der Zugfahrstrasse stehenden Schotterwagen. Achtzehn Reisende und zwei Lokführer wurden verletzt.

Gemäss dem Bericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST vom 24. August 2017 ereignete sich der Unfall infolge der Freimeldung eines besetzten Gleisabschnitts bei der Aufhebung von Sicherungsmassnahmen im Zusammenhang mit Bauarbeiten. Weiter zum Unfall beigetragen hat, dass beim Achszählsystem trotz noch vorhandener Gleisbelegung eine Freimeldung erzeugt werden kann und folglich die Signale auf Fahrt gestellt werden können.

Trotz dieses Prozessablaufs, nach dem einzig aufgrund der örtlichen Kontrolle durch eine Person die Isolierumgehungen bedient und Streckenabschnitte freigegeben werden, hat die SUST zu unserem Erstaunen weder Sicherheitsempfehlungen noch Sicherheitshinweise ausgesprochen.

Dass durch den Fehler in Sihlbrugg das Signal auf Fahrt gestellt werden konnte und „nur“ ein Dampfzug bei der Anfahrt betroffen war, ist reiner Zufall. Dieselbe Situation an anderer Stelle hätte genauso Plan-Züge mit grossen Geschwindigkeiten treffen können. Dies verdeutlicht die grosse Gefahr, welche der Unfall in Sihlbrugg offenbart. Dieselbe Problematik bestand bei der Kollision eines Schnellzuges mit zwei Böschungsmähern am 16. August 2006 in Rheinfelden AG.

Im Interesse eines sicheren Bahnverkehrs ist diese Lücke zu schliessen. Das einzig aufgrund der Kontrolle von nur einer Person Gleise für alle Zugsfahrten nach Signalen freigegeben werden, ist unsicher und nicht mehr zeitgemäss (kein 4-Augen-Prinzip).

Der VSLF fordert in einem Schreiben vom 7. September 2017 an das Bundesamt für Verkehr und die wichtigsten Infrastrukturbetreiber der Normalpurbahnen der Schweiz, dass bei der ersten Fahrt nach Gleisfreimeldungen oder der Betätigung von Isolierumgehungen der ersten Fahrt „Fahrt auf Sicht“ vorzuschreiben ist.

Die minimen Zeitverluste sind im Verhältnis zum Sicherheitsgewinn vertretbar und in Kauf zu nehmen. Die von uns vorgeschlagene Beseitigung eines grossen Restrisikos löst keine zusätzlichen Kosten oder Personalaufwände aus.

VSLF Nr. 541, 9. September 2017 HG

Schreiben VSLF an das BAV

Antwort des BAV an den VSLF

Rückschreiben VSLF an das BAV

Schlussbericht der SUST: Kollision eines Dampfzugs, 20.2.2016, Sihlbrugg (ZH)

Schlussbericht UUS: Kollision mit zwei Böschungsmähern, 16.8.2006, Rheinfelden

Rapport de première information SESE

Mitteilung in der Presse zum Unfall in Vevey

Bilder des Unfall in Vevey