Geschichte

  • 1876
    Gründung des VSLF.
  • 1888-1933
    Entwicklungsphase.
    Beitritt zu diversen Gruppierungen innerhalb der Transportunternehmungen mit mehrmaliger Namensänderung.
  • 1933
    Fusion mit SEV/LPV.
  • 1957
    Neugründung des VSLF.
    Infolge grosser Unzufriedenheit mit der Interessenvertretung durch den Einheitsverband SEV.
  • 2001
    Jubiläum 100 Jahre VSLF

Der Ursprung des Namen VSLF geht ohne zu Übertreiben bis ins Jahr 1876 zurück. In jenem Jahr gründeten 21 Abgeordnete des Schweizerischen Lokomotivpersonals als vielbeachtete Pioniertat die erste Eisenbahnergewerkschaft, den Verein Schweizer Lokomotivführer VSLF. Dieses Beispiel machte unverzüglich Schule und andere Berufsgruppen der damals noch ausschliesslich privaten Bahnen, aus denen sich erst im Jahre 1901 die vier grössten zur SBB verstaatlichen liessen, zogen bald nach. Nachstehend stichwortartig die Schwerpunkte der Entwicklung nach Jahreszahlen geordnet:

1888 Zusammenschluss einzelner Kategorienverbände zum Verein Schweizer Eisenbahnangestellter VSEA. Der VSLF schloss sich nicht an.

1889 Da der VSLF gemäss seiner Statuten nur fertig ausgebildete Führer aufnahm (die Heizerzeit dauerte viel länger als heute), entstand der Verein Schweizer Lokomotivheizer VSLH.

1895 Der obgenannte VSEA reorganisierte sich zum Verein Schweizer Transportanstalten VPST. Am 9./10. Mai beschloss der VSLF den Beitritt zum VPST, da dessen Form dem VSLF entsprach, indem die einzelnen Berufsgruppen als autonome Verbände vereinigt waren, und nur gemeinsame Forderungen auch gesamthaft vertreten wurden .

1896 Beitritt des VSLH (Heizerverein) zum VPST.

1907 Austritt des VSLF und des VSLH aus dem VPST wegen Auflehnung und Widerstands der anderen Kategorien gegen die Forderungen des Lokomotivpersonals. Gemeinsam hob man ein eigenes Verbandsorgan, «Die Lokomotive», das 14täglich und zweisprachig erschien, aus der Taufe.

1911 Nach vier Jahren fruchtbarer Zusammenarbeit des VSLF mit dem VSLH in einem Kartellverhältnis verhärteten sich die Fronten, da der Heizerverein sowie das Zentralkomitee der beiden Verbände und der Sekretär des Fährervereins in das radikale Fahrwasser der in jener Zeit sehr extremen, den Thesen Marx' verpflichteten und dementsprechend klassenkämpferisch operierenden Sozialdemokratischen Partei gerieten. Die Gegensätze zwischen den pragmatischeren, ja konservativen älteren Führern und den jungen, teils radikalen Heizern war unüberbrückbar, so dass es zum endgültigen Bruch zwischen dem VSLF und VSLH kam. Am 6. Mai entstand aus dem VSLH der Schweizerische Lokomotivführer-Verband SLPV und nahm gemäss Statutenänderung fortan auch Lokomotivführer auf. Da das Zentralkomitee geschlossen in den SLPV übertrat, wurde das Verbandsorgan «Die Lokomotive» von diesem weitergeführt. Der VSLF gab ab dem 10. Nov. 1911 eine eigene Verbandszeitung «Der Lokomotivführer» heraus. Nach dem 1. Weltkrieg und dem Generalstreik 1918 scheiterten mehrere Versuche zur Fusion der beiden Verbände.

1917 Am 4. Juli erlangte der VSLF die Mitgliedschaft im Föderativverband eidg. Beamter, Angestellter und Arbeiter. Dazumal stand dieser Berufsverband mit den Grundsätzen des VSLF in Einklang. Leider machten im Jahre 1922 die neugestalteten Statuten des Föderativverbandes eine weitere Mitgliedschaft des VSLF unmöglich, da fortan nur noch Verbände mit mehr als 1000 Mitgliedern Stimmberechtigung besassen und von jeder Berufsgruppe nur ein einziger Verband Mitglied sein konnte. Eine Verständigung mit dem SLPV war aber gerade in jener Zeit nicht möglich, so dass der VSLF freiwillig aus dem FV austrat.

1919 Gründung des Schweizerischen Eisenbahnerverbandes SEV. Der Vorstand des VSLF setzte sich unter der ausdrücklichen Bedingung der Wahrung der Autonomie der einzelnen Verbände voll für dieses Projekt ein. Auf seinen Antrag hin wurde bei der gründungsvorbereitenden Versammlung der §1 des Statutenentwurfs um den Zusatz erweitert: «Der SEV steht nicht auf dem Boden einer politischen oder religiösen Partei». Die Gründungskommission des SEV änderte aber kurz darauf den Satz ins Gegenteil ab: «Der SEV ist Mitglied des Gewerkschaftsbundes und unterstützt dessen Bestrebungen.» Dies wirkte bei vielen VSLF - Mitgliedern wie ein rotes Tuch und in einer Urabstimmung beschloss der VSLF, dem SEV nicht beizutreten. Der SLPV andererseits trat diesem bei.

1933 Gegen Ende der zwanziger Jahre nahm die Mitgliederzahl des VSLF rapide ab. Sein Vorstand begann zu resignieren und nach längeren Verhandlungen mit dem SEV trat der VSLF auf den 1. Januar 1933 diesem bei und wurde nach einem weiteren Jahr mit dem LPV verschmolzen.

Auf den 1. Januar 1932, also ein Jahr vor dem Eintritt des VSLF in den SEV trat bei diesem das neue Verbandsstatut in Kraft das grob gesagt. den SEV von einem Staatenbund in einen Bundesstaat verwandelte, das heisst, die einzelnen Unterverbände gaben ihre Eigenständigkeit zugunsten der Einheit auf, die Initialen wurden auf drei Buchstaben reduziert, der SLPV wurde zum LPV. Der SEV umschrieb diesen Vorgang rückblickend in der Festschrift «1919-1969, 50 Jahre Einheitsverband SEV» folgendermassen:

«Aber es sollte ein Verband auf absolut zuverlässiger Grundlage werden. Dazu war die völlige Umgestaltung der Rechtsverhältnisse notwendig. Der Einheitsverband musste rechtlich auf das Einzelmitglied aufgebaut werden. Der Eisenbahner musste primär Mitglied des SEV werden. Alles weitere, wie Gestaltung der Unterverbände und Sektionen sowie die Zuteilung der Mitglieder an diese, musste eine rein organisatorische Angelegenheit werden. Sektionen und Unterverbände erhalten ihre Mitglieder vom SEV zugewiesen. Unterverband und Sektion führen ein gewisses Eigenleben. Aber ihre Existenz und ihre Selbständigkeit besitzen sie nur kraft des Bestandes des Gesamtverbandes».

Die Einheit des Lokomotivpersonals im SEV dauerte knapp 25 Jahre. Die 25jährige Integration des VSLF im SEV/LPV kann man aus heutiger Sich so quasi als Bewährungsprobe des Einheitsverbandes gegenüber dem Lokomotivpersonal bezeichnen. Wenn man die Versprechen und die Beschwörungen bedenkt, mit denen dem Lokomotivpersonal der Einheitsgedanke schmackhaft gemacht wurde, so hätten die 25 Jahre für das Lokomotivpersonal, vor allem auch im Vergleich mit den anderen Kategorien, wesentlich anders verlaufen müssen. Diese Ansicht vertraten jedenfalls mehrere engagierte Lokomotivführer zu Beginn der fünfziger Jahre, die Entwicklung beim Lokomotivpersonal kritisch verfolgten. Eine fortschreitende finanzielle Nivellierung des Lokomotivführers gegenüber anderen Kategorien stand in krassem Gegensatz zu den allgemeinen Leistungssteigerungen durch vermehrte Kilometerleistungen, Verkürzung von Vor- und Nacharbeitszeiten infolge Elektrifikation, Ausdehnung des Einmanndienstes usw. Die Spitze der Opposition richtete sich zuerst gegen die Sektionsvorstände im LPV/SEV, die ihrerseits das Unbehagen in den Zentralvorstand hineintrugen. Anfänglich schenkte man dort dieser Bewegung nicht die nötige Aufmerksamkeit und als sie auch im Verbandsvorstand SEV kein Gehör fand, fing es beim Lokomotivpersonal gehörig zu rumoren an.

Das Lokomotivpersonal spürte plötzlich empfindlich und vor allem materiell die Ablehnung, Verständnislosigkeit und Gegnerschaft der anderen Kategorien gegenüber seinen berechtigten Forderungen. Triebfeder war augenfällig Neid und Missgunst gegen das einen «Traumberuf» ausübende Lokomotivpersonal. Auf Grund der Struktur des Einheitsverbandes wurden Anliegen des Lokomotivpersonals fortwährend von der geschlossenen Mehrheit der Vertreter der anderen Kategorien abgeblockt. Die Einbussen und Rückschläge Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre führten schliesslich zu einem Aufruhr im LPV/SEV. Die daraus formierte Opposition versuchte alles in Bewegung zu setzen, um die Situation zu verbessern. Die Bewegung gipfelte in einem Antrag für eine Statutenänderung zuhanden des SEV-Kongresses 1956, die den einzelnen Unterverbänden wieder das Recht auf eine eigenständige Vertretung ihrer Interessen zurückgeben sollte. Diesen Angriff auf ihre Machtstellung konnte aber die SEV- Geschäftsleitung geschickt und wortreich, teilweise mit tatsachenverschweigenden Voten, abwehren und den Antrag zu Fall bringen. Diese Niederlage der Opponenten glich einem Scherbenhaufen, so dass nur noch ein Ausweg blieb: Die Wiedergründung des VSLF Dies geschah am 26. November 1957, anlässlich der Gründungsversammlung. Leider vollzog nur ein kleiner Teil der unzufriedenen Lokomotivführer diesen mutigen Schritt, der durch die sich als Fussangel erweisende Versicherungskasse des SEV zudem zu einem empfindlichen Verlust erbrachter finanzieller Leistungen führte.

Der in der Folge als «Splitterverband» apostrophierte junge Verband hatte es sehr schwer, sich bei der Verwaltung, bei anderen und leider auch bei den Kollegen innerhalb der eigenen Kategorie und deren Anfeindungen, vor allem auch seitens des SEV, die nötige Anerkennung und Beachtung zu verschaffen. Wenn man heute zurückblickt, hat sich der Einsatz aber mehr als gelohnt. Der andauernde Rückschritt des Lokomotivpersonals konnte aufgehalten, die Situation, zugegebenermassen begünstigt durch die Hochkonjunktur, konnte in kleinen Schritten direkt und indirekt verbessert werden, wie z.B. durch kompetente Mitsprache im Fachauschuss, aktive Einflussnahme in bezug auf Führerstandausstattung, Hitze- und Zugluftbekämpfung, Abeitszeithumanisierung, Dienstplangestaltung etc. Indirekt deshalb, weil auch der LPV/SEV, durch die Wiedergeburt und die Impulse des VSLF mit seinen vielfach wegweisenden Forderungen und Eingaben, in Zugzwang geriet und zu vermehrter Aktivität angespornt wurde. Gleichzeitig steigerte sich auch das Durchsetzvermögen des LPV/SEV gegenüber den anderen Kategorien innerhalb des SEV durch den Hinweis auf drohende weitere Austritte.

Die bis dahin dargestellte Entwicklung zeigt deutlich, dass eine wirksame Vertretung der Interessen des Lokomotivpersonals nur in einem autonomen Verband möglich ist. Die Erfahrung beweist, dass andere Berufskategorien sich immer gegen die Forderungen des Lokomotivpersonals stellen, seien sie noch so begründet und berufsspezifisch relevant. Eigenständigkeit bedeutet nicht, dass sich das Lokomotivpersonal abkapseln und sich nicht um andere Kategorien kümmern soll. Anliegen, die das gesamte Personal betreffen, kann und muss auch ein eigenständiger Verband unterstützen. Der Beruf des Lokomotivführers erfordert ein hohes Mass an Selbstvertrauen und auch Selbstbewusstsein. Der Lokomotivführer übt zudem eine unvergleichliche Tätigkeit aus, seine Leistungen sind nicht direkt messbar und niemand, der diesen Beruf nicht selbständig ausgeübt hat, kann sich ein reales Bild davon machen. Bereits die Berücksichtigung dieser Tatsachen erfordert eine Berufsvertretung, die selbstbewusst und ohne Einmischung Uneingeweihter operieren kann.

Der VSLF will die anderen Lokomotivpersonal-Verbände nicht konkurrenzieren, jedoch kann er, weil er in Bern anerkannt ist und zu allen Verhandlungen eingeladen wird, sowohl oder seine eigenen Begehren an zuständiger Stelle autonom verhandeln, als auch zu den Eingaben der anderen Lokomotivpersonal-Verbände Stellung beziehen. Dadurch vertritt der VSLF das Lokomotivpersonal - und nur dieses - gemäss seinem statutarischen Verbands-Zweck effizienter. Die viel gerühmte Solidarität der Eisenbahner findet wohl immer die Zustimmung des Lokomotivpersonals, jedoch seitens anderer Kategorien keine Resonanz zu seinen Gunsten.
Deshalb sind wir der Ansicht, dass sich möglichst viele Lokomotivführer in einem autonomen Verband zusammenschliessen sollten, nicht zuletzt unter dem Motto: Getrennt marschieren und vereint schlagen.

Dies vor allem dann, wenn es gilt, Postulate und Begehren zugunsten des gesamten Bundespersonals zu unterstützen. Massgebende Entscheidungsmerkmale bei der Wahl eines Berufsverbandes sind daher primär die Berücksichtigung der Möglichkeiten und Grenzbereiche des Aktionsfeldes sowie der Freiraum der Unabhängigkeit bei der Vertretung der Interessen und Anliegen des Lokomotivpersonals.

Gestutzte Flügel oder ausgewachsene, tragfähige Schwingen! Das ist die Alternative für die gewerkschaftliche Vertretung des Lokomotivpersonals. Jeder Kollege, der sich für den Beitritt in einen Berufsverband entscheiden muss, sollte dies als Entscheidungshilfe in seine Überlegungen einbeziehen!


Der Verbandsvorstand VSLF