Bordjournal aus den Führerständen entfernt

Bei SBB Personenverkehr wurden per 1. Februar 2023 die Störungsbücher «Bordjournal» aufgehoben. Ab sofort sollen alle Informationen über den Zustand der Fahrzeuge einzig aus der Info-App TIP2 entnommen werden, die analoge Rückfallebene fällt weg. Dies macht Sinn bei mehreren gekuppelten Triebzügen und wenn bei Fahrtrichtungswechsel keine direkte Dienstübergabe von Lokführer zu Lokführer möglich ist. Die Unterhaltsanlagen haben zudem bereits länger schon nicht mehr mit den Bordjournalen gearbeitet.

Wir haben Meldungen erhalten, dass das neue Regime bereits zu Problemen geführt hat. So haben sich SNCF-Lokführer auf den LEX-Flirt um Genf infolge fehlendem TIP2 jeweils korrekt telefonisch nach allfälligen sicherheitsrelevanten Einschränkungen informiert.

Im Tessin konnten die Bordjournale nicht wie geplant entfernt werden, da die Flotte auch in Italien unterwegs ist und die Trenord-Kollegen keinen Zugriff auf TIP2 haben.

Das Lokpersonal von Thurbo besitzt ebenfalls keinen TIP2-Zugang bei der Bedienung der SBB Fahrzeuge.

Auf Anfrage erhielten wir folgende Antwort von SBB PP-BP-ZFR und SQU:

  • Alle sicherheitsrelevanten Angaben sind weiterhin in Form der «Bekanntmachung an das Lokpersonal» (rote Karte) auf dem Führerstand aufgelegt.
  • Die Lokführer mit fehlendem TIP2-Zugriff oder im Fall des Ausfalls von TIP2 sind angewiesen bei Mehrfachtraktion oder fehlender direkter Dienstübergabe auf jedem Führerstand zu kontrollieren, ob eine «Bekanntmachung an das Lokpersonal» (rote Karte) aufliegt.

Bei der Besetzung von Dispozügen oder Zügen, wo die Zugnummer für die Fahrt noch nicht bekannt ist, können keine Informationen im TIP2 erfragt werden. Konsequent sind alle Führerstände auf eine «Bekanntmachung an das Lokpersonal» zu kontrollieren.

Bezüglich allfällig notwendiger (Haupt-)Bremsproben wurden wir informiert, dass die Sicherstellung der Durchführung nach wie vor in der Verantwortung der Fahrzeuglenkung liegt. Diese ist demzufolge zuständig, dass das Lokpersonal entsprechend zur Durchführung angewiesen wird, falls es Änderungen in Zugskompositionen gibt oder die vorgegebenen Fristen dies erfordern.  

Dass viele Prozesse in der Praxis schlecht oder gar nicht funktionieren, kann jeder Lokführer bestätigen. So sind im TIP2 oftmals keine roten Hinweise vermerkt und trotzdem sind «Bekanntmachung an das Lokpersonal» aufgelegt oder umgekehrt. Und notwendige Zugsuntersuchungen oder Bremsproben werden nicht angeordnet mit der Erklärung, dass das Fahrzeug bereits im Einsatz gewesen sei oder man Vertrauen haben solle, die Prozesse seien ja definiert, weshalb eine Verständigung nicht notwendig sei.

Wir gehen davon aus, dass die Aufhebung der Bordjournale zu einer tieferer Meldequalität von Defekten führt und der Fahrzeugzustand sich verschlechtern wird.

VSLF, Nr. 753, 17. Februar 2023 VG