VSLF Sommer - Newsletter

Aktuell ist es in der Schweizer Bahnwelt relativ ruhig. Einzelne in den letzten Monaten aufgetauchte Projekte werden wahrscheinlich nie umgesetzt, weil sie meist nicht realistisch sind, viel kosten und dem Bahnverkehr schlussendlich wenig bringen würden. Und dennoch gibt es aktuelle Informationen.

Laufzeit GAV SBB und SBB Cargo
Der GAV SBB Cargo läuft Ende 2023 aus und verlängert sich stillschweigend, falls keine Partei ihn kündigt. Der GAV der SBB (Konzern) hingegen hat noch eine Laufzeit bis Ende 2025.

SBB Cargo und wir Sozialpartner haben in Gesprächen beschlossen, den GAV im Zuge der Annäherung an den Konzern SBB bis zum 30. April 2025 zu verlängern und aktuell keine Verhandlungen für einen neuen GAV SBB Cargo zu führen. Das Vorgehen hängt auch mit den politischen Diskussionen über die Zukunft von SBB Cargo zusammen. Somit ist die Gültigkeitsdauer des GAV SBB und die des GAV SBB Cargo identisch.

Wir begrüssen die Anbindung an den Konzern und sehen grosse Einsparungsmöglichkeiten. GAV-Verhandlungen sind nicht nur Risiko, sondern auch Chance. So kann auch die Verlängerung des GAV gesehen werden.

Fehltage bei SBB Cargo
In einer Information werden die Kosten wegen der Fehltage über alle Mitarbeiter bei PN beklagt. Die Fehltage seien mit einem Schnitt von 18 Tagen pro MA eindeutig zu hoch. Ziel von SBB Cargo sei es, die Tage um ein Drittel auf max. 12 Fehltage pro Kopf zu senken.

Man darf die Frage stellen, ob es an den schweren Arbeitsbedingungen in bestimmten Bereichen liegt, an den immer belastenderen Arbeitszeiten und Schichten oder allenfalls an der mangelnden Motivation. Tatsache ist aber auch, dass es sehr viele Langzeitkranke aus körperlich strengen Berufen gibt, welche die Fehltage negativ beeinflussen. Vielleicht möchte man aber auch einen Gegenwert zu der gestiegenen Beteiligung an den Gesundheitskosten erhalten.

SBB Cargo International
Im ersten Halbjahr fanden Verhandlungen über mögliche Zukunftsmodelle statt. Themen/Ziele waren: Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit, die Erhaltung der Gesundheit der Angestellten sowie die Verbesserung der finanziellen Situation nach der Pensionierung. Vorbehaltlich der Entscheidungsgremien der Verbände konnte eine Einigung erzielt werden. Wir danken vor allem der HR-Leiterin Laurence Spindler-Freudenreich für ihr Engagement in der Geschäftsleitung von SBB Cargo International.

Nach einer erneuten Umfrage beim Lokpersonal über eine mögliche Nachtdienstgruppe in Muttenz per Fahrplanwechsel, verfolgt die Leitung Betrieb CH von SBB CI mit der PeKo weiterhin das Ziel, die anderen Gruppen von Nachtdiensten zu entlasten. Die Einführung einer Frühdienstgruppe im letzten Jahr hat nicht für alle Lokführer zu einer Entlastung geführt. In einem nächsten Schritt sollen die Modalitäten nun gemeinsam mit der PeKo diskutiert werden. Da der Anteil an extremen Nachtschichten stetig steigt, werden Arbeitsverträge für dauernde Nachtarbeit als einziges Allerheilmittel angesehen.

Mit der Inbetriebnahme des neuen Depots in Arbedo (SPAO) wurden die Dienstwege neu definiert. Die SBB Infrastruktur hat eine Risikobewertung vorgenommen. SBB CI stützt sich auf den Entscheid der Infra und sieht kein spezielles oder erhöhtes Gefahrenpotential für das Personal beim Gehweg entlang des Streckengleises. Der LLP Bellinzona und der PeKo-Vertreter vor Ort schätzten die Lage ebenso ein und gaben ihre Zustimmung. In der Sommerausgabe des LocoFolio findet ihr dazu einen Bericht der Technikgruppe des VSLF.

TILO GAV
Der neue TILO GAV ist fertig verhandelt und von allen Parteien unterschreiben. Er trat am 1. Juli in Kraft und ist erstmals auf den 31. Dez. 2026 kündbar. Wir informierten in einem separaten Newsletter über die Neuerungen bei der TILO. Weitere Infos, der neue GAV und eine Zusammenfassung sind auf der Sektionsseite Ticino aufgeschaltet.

BLS
Nach jahrelangem Unterbestand beim Lokpersonal herrscht seit dem Fahrplanwechsel im letzten Dezember bei der BLS ein Überbestand. Aktuell werden auch keine Beschäftigungsgrad-Erhöhungen gewährt. Dies wurde zum Teil schlecht kommuniziert. Jedoch konnten die Zeitkonten des Lokpersonals, welche sich in den letzten Jahren gefüllt haben, abgebaut werden.

Da in den nächsten Jahren viele Kolleginnen und Kollegen in Pension gehen, werden weiterhin Lokführerklassen ausgebildet.

Zusammenarbeit der Bahnen beim Lokpersonal
Seit geraumer Zeit fordert der VSLF die Bahnen auf, im Bereich des Lokpersonals eine verstärkte Zusammenarbeit und Symbiose anzustreben. Die Steigerung der Effizienz, der Qualität und der Flexibilität bei der Arbeitszeit sind nicht zu unterschätzen. Wenn die Möglichkeiten zu langfristigen Einsparungen auf dieser Ebene nicht ausgeschöpft werden, ist davon auszugehen, dass entweder der Kostendruck bei den Bahnen noch nicht gross genug ist oder die Situation bereists derart besorgniserregend ist, dass die Erstinvestitionen nicht mehr getätigt werden können.

Zur notwendigen Steigerung der Attraktivität des Berufs ist eine grössere Abwechslung durch eine wirtschaftliche Durchmischung der Leistungen überfällig. Das Ganze ist keine Neuigkeit, sondern bereits seit Jahren über gewisse weite Bereiche verschiedener Bahnen gelebter Alltag.

Aktuell fordert auch SBB Cargo eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit sowohl innerhalb von SBB Cargo, als auch an diversen internen Schnittstellen.

Pausen
Der Zugpersonalverband ZPV-SEV hat beim BAV ein Anstandsverfahren wegen Verletzung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) und deren Verordnung eingereicht.

Folgende Punkte wurden beanstandet:

1. Ein Pilotversuch mit der Umwandlung von Pausen in Arbeitsunterbrechungen soll eingestellt werden, da die Änderungen nur rot markiert werden und kurzfristig erfolgen. Man geht vom Einverständnis des Personals aus, wenn dieses sich nicht meldet.

Das BAV beurteilt es als AZG-konform, da aus zwingenden Gründen eine kurzfristige Änderung möglich sein muss. Die Anhörung hingegen sei im AZG nicht explizit geregelt und müsse in der Unternehmung definiert werden.

2. Die SBB soll bei sämtlichen Anpassungen der Dienstpläne eine Anhörung durchführen. Auch wenn später noch eine Änderung vorgenommen wird. (Beim LP SBB P ist dies in der BAR und P20003174 geregelt.)

Hier wird die SBB AG angewiesen, bei sämtlichen Anpassungen der Dienstpläne eine Anhörung beim Arbeitnehmer oder deren Vertretung durchzuführen. Der Prozess der Anhörung ist durch das Unternehmen zu definieren und den Arbeitnehmern klar zu kommunizieren.

3. Die SBB sei anzuweisen, gemäss Artikel 25 Absatz 2 AZGV den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie deren Vertretung eine aktuelle Version der grafischen Dienstpläne für wiederkehrende Dienste zur Verfügung zu stellen.

Das BAV hat darauf hingewiesen, dass die Dienstpläne und Diensteinteilungen einen grossen Einfluss auf die Attraktivität eines Unternehmens und die Zufriedenheit der Arbeitnehmer haben. Daher «ist es essenziell, dass innerhalb des Unternehmens allen Beteiligten klar ist, wie die Prozesse der Dienstplanung und Diensteinteilung genau ablaufen.»

Auch uns hat die Frage der zeitlichen und örtlichen Verschiebung und Umwandlung von Pausen in Arbeitsunterbrechungen seit längerem beschäftig. Das Geschäft wird, auch unter Berücksichtigung des Anstandsverfahrens des ZPV, weiterverfolgt.

ZWALP
Das Projekt ZWALP Zweitausbildung Lokpersonal bei SBB Personenverkehr läuft. Der VSLF ist im Projekt gut vertreten. Methodisch, didaktisch und vom Aufbau her ist das Projekt gut auf Kurs. Die geplanten Simulatoren bieten einen spürbaren Mehrwert in verschiedenen Punkten, auch bezüglich Rangieren, Fehlerkultur und «Soft-Faktoren».

Aktuell spürt man auch bei diesem Projekt einen starken Kostendruck. Bezüglich der Sparmassnahmen hat der VSLF mit Vehemenz darauf hingewiesen, dass man die Gesamtoptik beurteilen soll. Wenn wir die Kosten einfach verlagern, es gesamthaft unter dem Strich aber teurer wird, sind einschneidende Sparmassnahmen im ZWALP-Projekt wenig sinnvoll.

Neben dem Projekt ZWALP wurde mit AVANTI ein System eingeführt, bei welchem das Personal das Rayon und die Fahrzeugvielfalt freiwillig erweitern kann. Als Gegenwert müssen dafür mehrere Arbeitsorte akzeptiert werden. Ob die Waagschale von Geben und Nehmen ausreicht, zeigt die minime Beteiligung am Angebot.

Der Grundgedanke, dass alle Lokführer mindestens ihr Depotrayon fahren können, wird so nicht erreicht werden.

Sicherheit
Ein Güterzug von SBB Cargo darf aus technischen Gründen im GBT nur mit 100 km/h verkehren; auf den restlichen Strecken ist 120 km/h erlaubt. Dem Lokführer wird nicht eine einschränkende Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben, sondern einzig in einer einfachen Arbeitsanweisung aus dem Jahre 2021 dazu angewiesen. Bei Änderung der Zugnummer oder falls sich jemand nicht mehr an die Arbeitsanweisung erinnert, wird die Höchstgeschwindigkeit überschritten. Einmal mehr zeigt sich, dass selbst weit ausgebaute Digitalisierungssysteme an einfachen Kleinigkeiten scheitern und dem Fahrpersonal nicht einmal eine eingeschränkte Höchstgeschwindigkeit eines Zuges mitgeteilt werden kann. Auch das aufgetrennte System Eisenbahn mit all ihren Divisionen, Gruppen und verschiedenen IT Programmen erschweren eine brauchbare Lösung.

Wiederholt haben wir das profilfreie Abstellen von Zügen an höchster Stelle eingefordert. Die Vorschriften sind eindeutig und die Vorgaben an die Infrastruktur werden systematisch nicht eingehalten. Das Einhalten der eigenen Prozesse zur Sicherheit wird auch von keiner Stelle durchgesetzt. Unregelmässigkeiten beim Rangieren könnten damit zusammenhängen. Eine Sensibilisierung an das Personal ist ebenfalls bisher ausgeblieben.

Die Problematik des Räumens der Züge von Reisenden vor der Fahrt in Abstellanlagen wurde sogar von der Presse aufgenommen. Unser erstes Schreiben zu dieser Problematik datiert vom Oktober 2011 und der VSLF hat es immer wieder postuliert. Wir glauben, dass es wichtig ist, unsere Reisenden zu schützen.

Bei SBB Personenverkehr Sicherheit, Qualität und Umwelt SQU hat man die Problematik dank unserer Beharrlichkeit auch anerkannt und eine Lösung erarbeitet. Ab dem Fahrplanwechsel 2023/24 ist vorgesehen, die kundendienstliche Endkontrolle dem beteiligten Personal in der Diensteinteilung vorzuschreiben.

Allerdings ist weiterhin vorgesehen, dass, wenn «die Kontrolle im Ankunftsgleis nicht möglich ist, der Lokführer den Innenraum im Abstellgleis kontrolliert. Vorgefundene Reisende sind aus dem Gefahrenbereich zu begleiten.» Das Ziel, die Verantwortlichkeit für gestrandete Reisenden im Gleisfeld zu regeln, wäre somit erreicht.

Sicherheitsbericht des BAV
Im Sicherheitsbericht 2022 des BAV wird der Anstieg der Arbeitsunfälle, insbesondere mit Schwerverletzten und Toten, festgehalten. Die Signalfälle beim Rangieren haben zugenommen. Die bisherigen Massnahen haben offenbar zu keiner Reduktion der Fälle geführt. Eine angedachte Rangier-App wird die Problematik kaum lösen, wohl aber von der Arbeit Rangieren ablenken. Die meisten Fälle sind nicht sicherheitsrelevant. Zum Zugssicherungssystem ETCS wird festgehalten, dass in der Sicherungstechnik die Reduktion der Systemkomplexität Optimierungspotentiale hat. Die Aussage, dass sich die Zugsicherungstechnik ETCS grundsätzlich bewährt hat, deutet auf Unsicherheiten hin.

Zwangsbremsungen
Die Presse berichtete im März, dass eine Frau im Zug bei einer Fahrt über eine Weiche stürzte und sich dabei verletzte. Die SBB wurde zur Zahlung von über 80'000 Fr. Schadensersatz und Behandlungskosten verurteilt inklusive der Gerichtskosten.

Kurz nach Veröffentlichung des Urteils erreichte bereits die erste Meldung das Lokpersonal, dass Zwangsbremsungen, welche auch zu Stürzen führen können, ein Risiko darstellen und deshalb zu vermeiden seien. Diese unnütze und undankbare Aufgabe wurde durch einen Leiter SBB P ZFR Ost übernommen. Und dies, obwohl nach der gezeigten Statistik die Zwangsbremsungen im ersten Quartal 2023 um 16% gesunken sind, obschon die Kontrollpunkte, die eine Zwangsbremsung auslösen können, laufend mehr werden.

Die Mitteilung ist etwa so sinnlos, wie wenn man einen gelernten Koch darauf hinweist, dass er sich bitte nicht mit dem Messer in die Finger schneiden solle.

So wird bestätigt, dass die Verhinderung von Zwangsbremsungen prioritär ist und folglich defensiver zu fahren sei. Der Fahrplan und die Pünktlichkeit kommen an zweiter Stelle, auch unseren Kunden zuliebe.

Zugausfälle infolge Lokpersonalmangel bei der RhB
Nachdem es SBB Personenverkehr vor zwei Jahren erwischt hat, ist nun die Rhätische Bahn RhB an der Reihe. Einmal mehr bewahrheitet sich, dass mit der Kalkulation von 0,9 Lokführern pro Zug wohl die Excel-Tabelle grün erscheint, aber der Zug nicht fährt.

Durch den geplanten Ausfall der Züge kann von einer Verletzung der erteilten Konzession an die RhB gesprochen werden. Im Bundesgesetz über die Personenbeförderung PBG ist unter Art. 13 und 14 eine Fahrplan- bzw. Betriebspflicht festgehalten. Wir sprechen hier nicht von höherer Gewalt, sondern einzig von jahrelanger Fehlplanung und Missmanagement.

Die Pressesprecherin der RhB schiebt die Schuld auf das Personal und weist darauf hin, dass "wie bei allen Schichtberufen sei man darauf angewiesen, dass bei Engpässen auf die Flexibilität der Mitarbeiter zu zählen ist".

Diese Aussage mag auf motivierte und loyale Mitarbeiter zutreffen, entspricht aber einer doch sehr antiquierten Auffassung von zeitgemässen Anstellungsbedingungen. Zudem wäre der Wunsch nach Flexibilität ohnehin nur als Notfallmassnahme angebracht, bei der RhB und weiteren Bahnen wird dies allerdings seit Jahren systematisch so gehandhabt.

Es gibt noch diverse weitere Bahnen, die mit sehr knappem Lokpersonalbestand und hohen Zeitkonten kalkulieren. Es bleibt spannend, welche EVU als nächstes von der Ausfall-Guillotine erwischt werden wird.

Und trotz angepasster Bedingungen bleibt das Füllen von neuen Ausbildungsklassen grundsätzlich sehr schwierig und die Abbruchquote ist relativ hoch. Hunderte und Tausende von Interessenten für den Beruf des Lokführers sind gut für die Propaganda, tragen aber zur Lösung des Lokführermangels nicht bei, wenn Sie die Anforderungen für den Beruf nicht erfüllen oder die Ausbildung nicht abschliessen.

Neuer Vorstand VSLF
Wir konnten neu Beda Breu ab dem 1. Juli 2023 als Mitglied a.i. im Vorstand VSLF aufnehmen. Wir begrüssen Beda im Vorstand und freuen uns auf die Zusammenarbeit.

Beda ist seit 1990 Lokführerbei der SBB und ab 2002 bei SBB Cargo im RBL und in Bülach. Seit 2021 hat er in der PEKO SBB Cargo Einsitz und ist in der VSLF Sektion Ostschweiz aktiv. Er wird sich an der GV VSLF vom 16. März 2024 in Fribourg zu Wahl stellen.

Kühlendes Basecap für das Lokpersonal
"In einem Führerstand soll es gelegentlich unangenehm heiss werden, weshalb es neu bei SBB PP BP ZFR mit der Unterstützung der PeKo sogenannte Cool-Caps gibt. Diese speichert nach dem Befeuchten das Wasser und sorgt für mehr Frische auf dem Kopf."

Wir gehen davon aus, dass die Kappe auch im Büro bei ausgefallener Klimaanlage funktioniert. Alternativ kann man sich auch ein Fläschli kühles Valserwasser in den Nacken schütten.

In diesem Sinn gute und sichere Fahrt durch den Sommer und viele schöne freie Stunden.

VSLF, Nr. 771, 17. Juli 2023, MW