Vorgehen bei Schäden an der Fahrbahn

Bei der Entgleisung infolge vermuteter schadhafter Betonschwellen am 3. Juni 2022 im Deutschen Garmisch-Partenkirchen verloren fünf Personen ihr Leben und 16 weitere wurden schwer verletzt. Der Lokführer eines Zuges, welcher am Vortag die schadhafte Stelle passierte, gab Hinweise auf Gleisprobleme an der Unglücksstelle und hat diese dem Fahrdienstleiter mitgeteilt. Dieser hat die Meldung nicht weitergeleitet, weshalb er angeklagt wurde. Ebenso der zuständige Streckeninspektor und der damalige Verantwortliche für Bahnanlagen (Siehe NL VSLF Nr. 778). Da eine angeordnete Reparatur an besagter Stelle nicht durchgeführt wurde, sieht sich die Deutsche Bahn mit Vorwürfen des Systemversagens konfrontiert. 

Problematik des Meldens durch den Lokführer vor einem Jahr aufgegriffen

Nachdem mehrere Meldungen von Lokführern über Mängel an der Bahnanlage, welche keine unmittelbaren Reaktionen der Fahrdienstleitenden ausgelöst hatten, brachte der VSLF die Thematik in die Fachdiskussion Sicherheit mit dem Leiter SP-SQ ein.
Der nicht geregelte Ablauf bei Meldungen wie «schlechtes Gleis», «Schlag verspürt» oder «Mangel am Oberbau» sehen wir als Problemstellung. 

Mit dem Schlüsselbegriff «Unregelmässigkeit an der Fahrbahn» nach FDV und dem Entscheid «Fahrbar» oder «Sichern» (nicht mehr Fahren) ist die Realität nicht genügend abgebildet und ein Reagieren auf einen «sehr schlechten Gleiszustand, aber noch Fahrbar» nicht möglich.

Beurteilung durch SBB SP-SQ

Aus Sicht der SBB sind neue Schlüsselbegriffe nicht notwendig, da die bestehenden Prozesse genügen würden. Der Zustand der Gleise werde nicht vom Lokpersonal beurteilt, sondern durch I-VU. Regulativ sei die Problemstellung klar und einfach: Das Lokpersonal befährt die Strecken und falls eine Unregelmässigkeit festgestellt wird, besteht eine Meldepflicht an die Zugverkehrsleiter.

Die Konzernsicherheitsstelle SBB SP-SQ verweist auf FDV R 300.9 / 8 Unregelmässigkeit an der Fahrbahn und Anhang Infra R I-30111:

  • Der Lokführer meldet den Schlüsselbegriff: «Unregelmässigkeit an der Fahrbahn» 

  • Der Fahrdienstleiter sichert den Abschnitt und informiert den technischen Dienst. 

Die Sicherheit geht dabei immer vor. Bei mangelhafter Fahrbahn ist durch das Lokpersonal konsequent «Unregelmässigkeit an der Fahrbahn» zu melden. Die Beurteilung, ob die Stelle noch befahrbar ist, liegt nicht beim Lokpersonal, sondern bei den technischen Diensten der Infrastrukturbetreiber. 

Jede Betriebseinschränkung oder Betriebseinstellung ist in Kauf zu nehmen. Der Fall Garmisch-Partenkirchen zeigt dies exemplarisch.

VSLF Nr. 802, 12. Februar 2024 DS